Susis Verschwinden

Was war unsere kleine, schmusige Tigerkatze Susi nicht eine Bereicherung für die ganze Familie gewesen! Besonders mein Vater hatte die kleine, grauweiß getigerte Katze mit ihrem verspielten Wesen ins Herz geschlossen. Und trotzdem mussten wir im Advent unvermittelt zur Kenntnis nehmen, dass Susi verschwunden, abgängig war. Seit einem Sonntag in der Vorweihnachtszeit: ich war mit meinem Freund auf einen Adventmarkt gefahren und als wir abends heimkamen, vermisste ich die Katze schon. Sie lag nämlich sonst zum Ausklang des Tages gerne beim Kaminofen und genoss die Wärme der glühenden Holzscheite, aber an jenem Abend nicht. Und dennoch dachten wir noch nichts Arges, erst am nächsten Tag am Spätnachmittag vertraute mir meine Mutter ihre Ängste an: „Du, ich glaub, der Susi ist was passiert! Sie ist über einen Tag weg und nicht einmal am Morgen zum Fressen gekommen!“

Ehrlich gesagt, ich war betroffen. Und ich konnte mir auch gar nicht vorstellen, dass der quicklebendigen Susi, meiner Petit, etwas zugestoßen sein konnte. War sie nicht gestern am Vormittag noch auf dem Sessel meines Vaters im Raucherstüberl gelegen, hatte laut geschnurrt und spielerisch ihre weißen Pfoten von sich gestreckt? Aber Susi kam auch am Abend nicht nach Hause, obwohl wir ständig nach ihr riefen, im Garten und in der Nachbarschaft immer wieder nach ihr forschten. Mein Freund machte sich sogar die Mühe, eine Art Steckbrief zu verfassen, den wir in der Siedlung verteilten. Aber niemand meldete sich und das Unfassbare wurde immer realer. Susi musste etwas passiert sein, denn verlaufen hatte sie sich sicher nicht. Ein Bekannter, dem ich im Web mein, unser Leid geklagt hatte, versuchte mich zu trösten. „Unsere Katze war einmal zwei Monate abgängig. Gebt die Hoffnung nicht auf!“

Aber die Weihnachtszeit rückte näher und Susi blieb verschollen. Unsere Hoffnung schmolz mit jedem Tag, der verging, ein wenig. Unabhängig von einander träumten wir alle immer wieder von der kleinen Susi, aber Susi ließ sich dennoch nicht mehr blicken. Einmal flackerte kurzzeitig wieder Hoffnung in uns auf als mein Bruder uns versicherte, Susi bei Nachbarn weiter oben vor dem Hauseingang gesehen zu haben. Aber mein Bruder war nur von einer gewissen Ähnlichkeit genarrt worden, die Katze, die er gesehen hatte, war viel älter als Susi und doch etwas anders getigert. Mein Bruder hätte wohl in jeder der Katzen der Umgebung unsere Petit wieder erkannt, wenn sie nur ein wenig ähnlich gemustert gewesen wäre.

Wieder eine Hoffnung weniger und auch wenn ich nicht begreifen konnte, dass Susi wahrscheinlich tot war, weil sie doch noch immer so lebendig in meinen Erinnerungen herum sprang: Es gab kaum mehr logische Gründe, was mit ihr passiert sein konnte um doch noch lebendig aufzutauchen. In der Nacht auf Heilig Abend träumte ich, ich würde Susi beobachten, wie sie von der Straße auf unser Haus zulief. Ich konnte ihr klägliches Miauen mit dem sie Einlass begehrte, hören, und rief die ganze Familie zusammen. Ganz nervös vor Freude lief meine Mutter die Treppen hinunter und öffnete ihr die Haustür… Dann erwachte ich und alles war nur ein Traum gewesen. Susi kam auch am 24. Dezember nicht zurück, kein Weihnachtswunder auf vier Pfoten…

Trotz des schönen, gemütlichen Weihnachtsfestes musste ich am Abend wieder und etwas wehmütig an Susi denken. Vermutlich war die kleine Katze, fahrlässig, wie sie nun mal immer schon gewesen war, Opfer eines Autofahrers geworden. Wie hatte mein Bruder einmal vor längerer Zeit schon gemeint. „Unsere Katzen liegen doch am liebsten unter den Autos, im Winter wie im Sommer. Irgendwann wird es eine erwischen…“ Und dann fiel mir wieder die Geschichte ein, als Susi mitten auf der Straße mit einem Regenwurm gespielt hatte und nicht einmal dem Auto meines Schwagers ausgewichen war – viel mehr musste mein Schwager einen Bogen fahren, um der kleinen Katze keinen Schaden zuzufügen. Ein anderer Autofahrer war nicht so vorsichtig gewesen, hatte die Susi überfahren und vermutlich ihren toten Körper in den nahen Feldern entsorgt. Bitter, dass wir nicht Abschiednehmen konnten von unserer jungen Tigerin, die mit kleinen Anlaufschwierigkeiten unser aller Herzen erobert hatte… Wir würden sie mit Sicherheit sehr vermissen!

(C) Vivienne

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