Kleine Susi – keine Angst vor Autos!

Unsere Susi war von ihrer Art her ganz anders als Minki, unsere verstorbene „Grande Dame“. Minki war eher eine ruhige, bedachte Katze mit neurotischen Allüren gewesen. Wie ein Wirbelwind brauste jedoch Susi durch unseren Garten, und unser Stocki war noch immer ständig ihren Attacken auf seinen Schwanz ausgesetzt. Oder sie kam ihm bei der Mäusejagd in die Quere. Schön langsam hatte ich meine Zweifel, ob sie sich diese Unarten je abgewöhnen würde können. Susi verhielt sich nicht im Geringsten schüchtern, Berührungsängste waren ihr völlig fremd, aber trotzdem war es schwer sie einzufangen, wenn sie sich abends noch vor dem Haus herumtrieb. Obwohl es ständig kühler wurde, verbrachte sie immer wieder einmal eine Nacht im Freien. Nur wenn es ihr gar zu kalt wurde, kletterte sie auf das Fensterbrett eines meiner Fenster und machte sich lautstark mit Miauen und Kratzen bemerkbar…

Neulich war ich wegen eines Amtsweges mit meinem Schwager unterwegs gewesen und als wir uns wieder auf den Heimweg machten, konnten wir von weitem schon Susi mitten auf unserer Straße ausmachen. Sie schien dabei mit irgendetwas lebhaft beschäftigt zu sein. Mein Schwager musste lachen, als er das Kätzchen so strategisch ungünstig platziert sah. „Darf ich sie überfahren?“ fragte er mich mit seinem typischen makabrem Humor und ich nickte natürlich sofort. „Du darfst immer!“ ließ ich ihn wissen, felsenfest davon überzeugt, dass die kleine Susi sofort die Straße räumen würde, wenn sie das Fahrzeug auf sich zukommen sah. Aber klein Susi wich nicht einen Zentimeter. Sie bemerkte das Auto meines Schwagers gar nicht, noch immer schien etwas auf der Straße sie völlig in ihren Bann zu ziehen.

Ich bekam immer größere Augen und ertappte mich dabei, wie ich mit mir selbst zu reden begann. „…ist die verrückt geworden? Sieht sie das Auto nicht? Das gibt es nicht…“ Elegant wie unbeirrbar umfuhr mein Schwager die heikle Stelle und erst im letzten Augenblick registrierte die Katze, dass sie in höchster Gefahr gewesen war. Gott sei Dank hatte der Mann meiner Schwester schneller gedacht als sie… Mein Schwager stellte das Auto ab und wir stiegen aus. Das musste ich mir doch unbedingt ansehen, was die kleine Katze da so faszinierte. Dann brach ich in schallendes Gelächter aus. Susi kämpfte mit einem Regenwurm, lang und dünn und fleischig rot. Immer wieder packte sie ihn mit ihrem Kiefer, biss hinein und spuckte ihn wieder aus, weil er so ekelhaft schmeckte. Dieses Spielchen musste nun schon eine halbe Ewigkeit vor sich hin gegangen sein, aber immerhin war Susi jetzt mit ihrer „Beute“ auf den Straßenrand ausgewichen… Falls es Sie interessiert, liebe Leser: der Regenwurm hat diese Attacke tatsächlich überlebt. Irgendwann verlor Susi nämlich ihr Interesse…

Kein Zweifel, unsere junge Katze zeigte wenig Respekt vor Autos. Das fiel mir wenige Tage darauf wieder auf, als mich mein Freund an einem Abend abholte. Während ich in den Wagen einstieg, beobachtete ich aus den Augenwinkeln, wie Susi hinter dem Flieder hervorsprang und blitzschnell unter seinem Wagen verschwand. Meinem Freund selber war das gar nicht aufgefallen, aber ich stieg sofort wieder aus, und versuchte Susi wieder hervorzulocken. Immerhin hätten wir die Kleine ja überfahren können… Zweimal hätte ich sie beinahe erwischt, dann verschwand sie wieder irgendwo unter dem Auto. Ich schnaufte erbost und begann nachzudenken. Da half nur mehr rohe Gewalt, das wurde mir schnell bewusst. Mein Freund starrte mich zwar entgeistert an, als ich nach einem Kieselstein auf der Straße griff, trotzdem schleuderte ich diesen nach der Katze, die gerade einmal wieder neben den Rädern hervorlugte.

Ich nahm gerade noch den erschrockenen Gesichtsausdruck der Katze war, dann sah ich Susi pfeilschnell unter dem Auto hervor Richtung Haus laufen. Ich hatte sie nicht getroffen, aber allein der fliegende Stein hatte das seine getan. Dann nickte ich befriedigt und stieg wieder in den Wagen ein. Mein Freund lachte schließlich und schüttelte den Kopf, über meine Methode und über unsere Kleine, dann konnten wir endlich wegfahren. Trotzdem machte ich mir später doch einige Gedanken. Susi war unerschrocken, daran stieß sich an und für sich niemand, aber wenn sie ihr Verhalten auf der Straße nicht ändern würde – wie sollte sie da alt werden bei uns? Die beiden Erlebnisse in den letzten Tagen hatte mir gezeigt, dass sie anscheinend die natürliche Angst vor Autos völlig vermissen ließ. Und das konnte irgendwann einmal tödlich sein, da brauchten wir uns nichts vormachen…

Vivienne

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